Artikel zum Thema: OGH
Auskunftspflicht während des Krankenstands in Ausnahmefällen möglich
Während des Krankenstands ist der Arbeitnehmer verpflichtet, alles zu tun um baldmöglichst gesund und wieder arbeitsfähig zu werden. Gegenteiliges Verhalten kann – etwa wenn gegen ärztliche Anweisungen verstoßen wird – im Extremfall Vertrauensunwürdigkeit begründen und ernste Konsequenzen nach sich ziehen. In der Praxis zeigt sich trotz des „Gesundungspostulats“ immer wieder, dass mitunter durch moderne Kommunikationsmittel begünstigt, trotz Krankenstands Mitarbeiter z.B. per E-Mail kontaktiert werden, um etwa über bestimmte Unterlagen oder zukünftige Termine Auskunft zu geben.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte sich unlängst (GZ 9ObA115/13x vom 26.11.2013) mit der Auskunftspflicht durch den Mitarbeiter im Krankenstand auseinanderzusetzen. Der Ausgangssachverhalt bestand darin, dass eine langjährige Sekretärin einer Rechtsanwaltskanzlei während eines mehrmonatigen Krankenstands trotz mehrmaliger Aufforderung durch die Arbeitgeber nicht zu einer kurzen persönlichen Besprechung bereit war und ihr auch ein kurzes Telefonat aus gesundheitlichen Gründen unmöglich war. Die Arbeitgeber reagierten in Folge mit fristloser Entlassung aufgrund grober Verletzung der Treuepflichten. Die Sekretärin argumentierte hingegen, dass sie sich aus gesundheitlichen Gründen (Asthmabeschwerden, Burnout, Depressionen) nicht zu einem persönlichen Gespräch beim Arbeitgeber einfinden könne und auch kein Telefongespräch möglich sei, da sie dabei auch unbeabsichtigt mit dem (männlichen) Chef in Kontakt kommen könnte und dies ihrem Gesundheitszustand jedenfalls abträglich wäre. Da sie bei Verbesserung ihres Gesundheitszustands selbstverständlich zu einem Gespräch bereit sei und bei Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit an den Arbeitsplatz zurückkehren würde, sei kein durch sie verschuldeter Entlassungsgrund gegeben.
Genesung des kranken Arbeitnehmers steht im Vordergrund
Der OGH sieht eine Auskunftsverpflichtung durch den Arbeitnehmer während des Krankenstands als grundsätzlich möglich, wenngleich dies wirklich nur in begründeten Ausnahmefällen vom Arbeitgeber beansprucht werden kann. Ganz wesentliches Kriterium ist hierbei, dass durch die Auskunftspflicht bzw. „Störung während des Krankenstands“ der Genesungsprozess nicht beeinträchtigt wird. Typischerweise würde die Kontaktaufnahme per Telefon oder per E-Mail dieser Anforderung eher gerecht als ein persönliches Erscheinen am Arbeitsplatz. In dem vorliegenden Fall war der OGH jedoch der Ansicht, dass es der an dem Burnout-Syndrom leidenden Sekretärin weder zumutbar war, in die Rechtsanwaltskanzlei zu kommen noch aus gesundheitlichen Gründen mit dem männlichen Rechtsanwaltspartner überhaupt Kontakt aufzunehmen.
Konkretes Informationsbedürfnis als Grundvoraussetzung
Neben der möglichst raschen Genesung des Arbeitnehmers muss aber – der Treuepflicht des Arbeitnehmers entsprechend – genauso sichergestellt werden, dass die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers gewahrt werden und auch der längere Ausfall eines Mitarbeiters kompensiert werden kann. Aus diesem Grund kann es vom konkreten Einzelfall abhängig und insbesondere unter Beachtung der gesundheitlichen Umstände sein, dass der Arbeitnehmer trotz Krankheit zur Bekanntgabe unbedingt erforderlicher Informationen verpflichtet ist. Wohl auch den praktischen Umständen entsprechend sind hierbei dem OGH folgend an Arbeitnehmer in gehobener Position strengere Anforderungen zu stellen. Die drei wesentlichen Voraussetzungen für die Auskunftspflicht während des Krankenstands – andernfalls könnte eine Entlassung aufgrund von Vertrauensunwürdigkeit gerechtfertigt sein - sind, dass der Arbeitgeber die gewünschten Informationen konkretisiert und darlegt, warum diese nicht anderweitig beschafft werden können. Außerdem muss es sich um Informationen handeln, aus deren Fehlen dem Arbeitgeber ein schwerer wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Diese drei Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein und vom Arbeitgeber nachgewiesen werden. Im vorliegenden Fall sah der Oberste Gerichtshof diese Voraussetzungen seitens des Arbeitgebers allerdings nicht erfüllt, da weder konkretisiert wurde, welche Informationen von der Sekretärin gewünscht werden noch warum diese nicht anderweitig beschafft werden können. Folglich konnte ein von der Sekretärin verschuldeter Entlassungsgrund nicht nachgewiesen werden.
Für die Praxis zeigt die OGH-Entscheidung, dass der Arbeitgeber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen Auskünfte von seinen kranken Mitarbeitern verlangen kann und somit dem Gesundungsprozess eindeutig Priorität zukommt. Allerdings ist auch zu beachten, dass – im Regelfall bei längerfristigen Krankenständen – völlige Auskunftsverweigerung seitens des kranken Dienstnehmers vom Arbeitgeber nicht hingenommen werden muss und im Extremfall eine Entlassung aufgrund von Vertrauensunwürdigkeit nach sich ziehen kann.
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